Herzinsuffizienz-Schulung am ­Universitätsspital Basel

Original Article
Issue
2022/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/cvm.2022.02203
Cardiovasc Med. 2022;25:w02203

Published on 01.05.2022

Schulungsprogramme für Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz sind in der Schweiz nicht reglementiert und unterliegen starken Einflüssen.

Einleitung

Demnächst werden wir am Universitätsspital Basel die 1000 Herzinsuffizienzschulung für stationäre Patientinnen und Patienten nach einer grundlegenden Überarbeitung des Schulungskonzeptes im Jahr 2017 ­durchführen. Dies nahmen wir zum Anlass, unsere ­Erfahrungen der letzten Jahre zu reflektieren, kritisch zu beleuchten und einen Ausblick in die Zukunft zu wagen.

Hintergrund

Herzinsuffizienz geht einher mit hoher Mortalität, häufigen Hospitalisationen sowie einer hohen Belastung für das Gesundheitswesen [1]. Aufgrund einer ­verbesserten Grundversorgung, des medizinischen Fortschrittes und einer damit verbundenen längeren Lebenserwartung ist mit einer deutlichen Zunahme von Personen mit Herzinsuffizienz in den kommenden Jahrzehnten zu rechnen [2]. Nationale und internationale Guidelines sowie Fachexpertinnen und Experten aus den Bereichen Kardiologie und kardiovaskulären Pflege sind sich einig: Schulungen und Beratungen für Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz sind wichtige Bestandteile im Behandlungsplan [3, 4]. Denn es ist für eine Person mit einer chronischen und komplexen Erkrankung wie Herzinsuffizienz kaum möglich, die Arbeit, die das Leben mit einer solchen Erkrankung bedeutet (Self-Care), ohne Support durch eine Fachperson zu leisten [5]. Allerdings ist unklar, wer im Schweizer Gesundheitssystem die Aufgabe der Schulung und Beratung übernimmt. Denn Schulung, Beratung und gemeinsam mit den Betroffenen Strategien zu entwickeln, benötigt Raum, Zeit, Geduld und Fach­expertise. Daher stellen sich neben logistischen auch finanzielle Fragen.
Der Behandlungspfad von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz ist von Übergängen geprägt: Häufig wird die Erkrankung im Zusammenhang mit einer kardialen Dekompensation während einer Hospitalisation diagnostiziert. Nach der stationären Behandlung erfolgt eine Weiterbehandlung durch die Hausärztin oder den Hausarzt und/oder eine Kardiologin oder einen Kardiologen. In den Folgejahren sind gehäufte Hospitalisationen die Regel und nicht die Ausnahme [6]. Die entstehenden Schnittstellen zwischen Spital, Hausarztpraxis, Kardiologin oder Kardiologe, ggf. Spitex und weiteren involvierten Fachpersonen sind Herausforderungen, und oft Barrieren, bezüglich des Informationsflusses und der Behandlungskontinuität. Dies mag ein Grund dafür sein, dass Schulungen für Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz in der Schweiz nicht flächendeckend angeboten ­werden. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Abrechnungssysteme wie DRG und TarMed kaum Möglichkeiten bieten, die zeitaufwändigen Schulungen kostendeckend zu vergüten.
In der Schweiz wurden an verschiedenen Stellen des Behandlungspfades Pflegefachpersonen und medizinische Praxisassistentinnen und -assistenten (MPA) ­involviert, um Schulungen und Beratungen in grösserem Umfang anbieten zu können. Es existieren entsprechende Zusatzausbildungen. Während MPA vorwiegend im ambulanten Setting in hausärztlichen oder kardiologischen Praxen ihren Einsatz finden, werden Pflegefachpersonen vorwiegend im Spital eingesetzt. Da die Wissensvermittlung/Patientenedukation bereits in deren Grundausbildung entsprechend gewichtet wird, sind Pflegefachpersonen prädestiniert für den Einsatz bei komplexen und akuten Krankheitssituationen. Auf tertiärer Stufe (FH) wird auch der ­Umgang mit Fachliteratur und klinisches Assessment gelehrt. Pflegefachpersonen als auch MPA bieten einen niederschwelligen Zugang zu den Patienten und ge­niessen deren Vertrauen.
Am Universitätsspital Basel führen seit dem Jahr 2000 Pflegefachpersonen Schulungen für stationäre Patientinnen und Patienten mit einer Herzinsuffizienz durch. Dieses Konzept erfuhr über die Jahre mehrere Weiterentwicklungen. Seit der letzten Anpassung im Jahr 2017 konnten nahezu 1000 Schulungen durch­geführt werden. In diesem Artikel möchten wir unser Schulungskonzept beschreiben, die Erfahrungen der letzten Jahre reflektieren und einen Ausblick in die ­Zukunft geben.

Methode

Design

In diesem reflektiven Essay explorieren wir unsere ­Erfahrungen mit den Herzinsuffizienz-Schulungen ­anhand des Reflexionsmodells von Rolfe et al. [7]. Drei Fragen, die sich auf verschiedene Stufen des Reflexionsprozesses beziehen, bilden dafür den Rahmen: «What?» beschreibt die Entstehung und die heutige Praxis der Herzinsuffizienzschulungen und ihre Auswirkungen auf die Beteiligten. Dies wird im Resultateteil dargestellt. In der Diskussion beschreiben wir den zweiten und dritten Schritt der Reflexion. ­Anhand der Frage «so what?» analysieren wir unsere Erfahrungen auf einer theoretischen Ebene. ­Zuletzt verfolgt die Reflexion mit der Frage «now what?» einen proaktiven Ansatz, um die weitere Entwicklung der Herzinsuffizienzschulungen in der Zukunft anzudenken.

Datensammlung und Analyse

Eine Reflexion ist zuallererst ein kognitiver Prozess, der auf persönlichen Erfahrungen beruht. Unterstützend nutzen wir demografische Daten und das Schulungsprotokoll. Dies beinhaltet Angaben zu den Schulungsthemen, die 9-item European Heart Failure Self-care Behaviour Scale (G9-EHFScBS) [8], ein Depressionsscreening sowie systematisch erhobene Assessments und Rückmeldungen der Patientinnen und Patienten. Statistische Daten werden deskriptiv dargestellt.

Ethische Überlegungen

Die Auswertung der elektronischen Schulungspro­tokolle und der Patientenbefragung wurde in Über­einstimmung mit den rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen durchgeführt. Die Daten wurden vom Systemadministrator elektronisch zusammengetragen und vor der Analyse vollständig anonymisiert. Die Zulassung einer Ethikkommission war nicht erforderlich, da Qualitätsverbesserungsprojekte nicht in den Anwendungsbereich der lokalen Ethikkommission fallen [9].

Resultate

«What?» – Die heutige Praxis

Am Universitätsspital Basel haben Schulungen für ­Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz ­während des stationären Aufenthaltes eine lange Tradition. Anfänglich führten spezialisierte Pflegefachpersonen Schulungen im Rahmen ihrer alltäglichen pflegerischen Tätigkeit durch. Indem Gewichtskontrolle, Bilanzierung der Trinkmenge und das Richten der ­Medikamente gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten durchgeführt wurden, entstand eine ideale Verknüpfung von Theorie und Praxis. Allerdings nahm von 2013 bis 2020 die durchschnittliche Spitalverweilzeit der Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz in der Klinik Innere Medizin um 3,1 Tage ab. Dieser Trend gilt natürlich für alle Patientinnen und Patienten, was für die Behandlungsteams zu einer Arbeitsverdichtung führte, sodass systematische edukative Tätigkeiten bedauerlicherweise nicht mehr in den Pflegealltag integriert werden konnten.
Im Jahr 2015 entschieden wir uns daher, die Schulungen bei den stationären Patientinnen und Patienten in einem aufsuchenden Modus durchzuführen. Zu diesem Zweck wurde ein Herzinsuffizienz-Schulungsteam ins Leben gerufen, bestehend aus Pflegefachpersonen der Klinik Innere Medizin. Die Arbeit im Schulungsteam, inklusive der Besuch regelmässiger Fortbildungen, findet im Rahmen der regulären Anstellung der Pflegefachpersonen statt und wird somit von den entsprechenden Pflegeabteilungen getragen und finanziert. Das Schulungsteam wird fachlich durch ­einen Pflegeexperten APN geleitet.
Die Pflegefachpersonen aus dem Schulungsteam besuchten an zwei Nachmittagen pro Woche die Patientinnen und Patienten, die zuvor für eine Schulung ­angemeldet worden waren und führten die Schulungen im Patientenzimmer durch. Sofort konnte die Anzahl der Schulungen wieder deutlich erhöht werden, die ­Zufriedenheit nahm bei den Patientinnen und Patienten und beim Schulungsteam zu.
Im April 2016 vollzogen wir den nächsten Entwicklungsschritt und führten die Schulungen in einem ­eigenen Sprechzimmer durch. Die Schulungen finden seitdem in einem ruhigen Rahmen statt. Frei von Unterbrechungen wird ein Klima der Konzentriertheit und Offenheit geschaffen. Dies erleichtert das niederschwellige Stellen von Fragen, sowie das patienten- und situationsgerechte Finden von Antworten. Die ­Patientinnen und Patienten werden von den Stationsärzten, vorwiegend aber von den Pflegefachpersonen der Station, via E-Mail oder Konsil-Auftrag zugewiesen. Zusätzlich erhöhen wir die Schulungsquote mit einem systematischen Screening durch das Schulungsteam.
Zusätzlich optimierten wir unsere Dokumentation der Schulungssequenzen. Die Schulungsinhalte können nun in der elektronischen Patientenakte dokumentiert werden und stehen somit auch bei einem Wiedereintritt oder einer erneuten Schulung zur Verfügung.
Seit 2017 ist die G9-EHFScBS ein fester Bestandteil der Schulungen. Damit werden im Verlauf des Gesprächs die individuellen Stärken und Schwächen im Umgang mit der Erkrankung eruiert und die Schulung entsprechend an die Bedürfnisse angepasst.
Seit 2017 konnten wir 974 Schulungen bei 762 Personen durchführen. Unter den Geschulten befanden sich 470 (61,7%) Männer und 292 (38,3%) Frauen. Erwartungsentsprechend wurden Schulungen in den Altersgruppen zwischen 70–80 Jahren und 80–90 Jahren mit jeweils 323 (32,3%) Patienten am häufigsten durchgeführt. ­Ausserdem wurde 147 (15,1%) Schulungen bei unter 60-Jährigen und 58 (5,9%) Schulungen bei über 90-Jährigen durchgeführt. Im Durchschnitt dauern die Schulungen 35 Minuten (min. 10 Min/max. 90 Min). Bei 81 Personen wurden beim 2-Fragen- Test zur Erfassung einer unipolaren depressiven Störung [10] beide Fragen positiv beantwortet. Dieses Instrument ist mit einer 96% Sensitivität und 57% Spezifität zum Screening von ­depressiven Menschen geeignet [10]. In diesen Fällen wurde die Stationsärztin oder der Stationsarzt über das positive Screening informiert und gebeten, diesem Aspekt in der weiteren Betreuung entsprechende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Die Inhalte der Schulungen richteten sich einerseits nach dem Resultat der G9-EHFScBS und andererseits nach dem Gesprächsverlauf und den Fragen der Betroffenen. Durchschnittlich kommen pro Schulung 5,6 Themen zur Sprache.
In Tabelle 1 sind die Themenschwerpunkte der durchgeführten Schulungen aufgezeigt. Bei Bedarf können wir Informationsmaterial zu diesen Themen abgeben. Inhaltlich stützen wir uns auf die Informationen der Schweizerischen Herzstiftung und geben deren «HI KIT» [11] regelmässig ab. Vor allem das Gewichtstagebuch wird von den Patienten sehr geschätzt.
Tabelle 1:
Die 14 Themen der Schulungen, Mehrfachnennung möglich (5504 Nennungen bei 974 Schulungen), im Durchschnitt wurden 5,6 Themen pro Schulung angesprochen.
Themen:Anzahl Nennung (%)
Gewichtskontrolle867 (89%)
Trinkmenge707 (73%)
Salzkonsum705 (73%)
Krankheitsverständnis659 (68%)
Symptommanagement587 (60%)
Medikamentöse Therapie482 (49%)
Körperliches Training355 (36%)
Notfallplan269 (27%)
Impfungen224 (23%)
Gemütsverfassung183 (19%)
Alkohol165 (17%)
Nikotin117 (12%)
Austritt 67 (7%)
Sexualität  6 (0,6%)
Die Patientinnen und Patienten werden regelmässig von ihren Angehörigen begleitet. In 140 Fällen fand die Schulung in Begleitung eines Ehepartners statt. 61 Mal war die Tochter und 23 Mal der Sohn dabei. 30 Mal wurden die Patienten von Freunden oder anderen Verwandten und Bekannten begleitet.
In der Regel eröffnen wir das Schulungsgespräch mit der Frage, was zum Spitaleintritt geführt hat. Patientinnen und Patienten nennen in der Regel keine Dia­gnose, sondern beschreiben, was sie erlebt haben und unter welchen Symptomen sie beim Spitaleintritt gelitten haben. Bei möglicher Mehrfachnennungen wurden Belastungsdyspnoe am häufigsten genannt (siehe Tab. 2).
Tabelle 2:
Symptome der Patienten bei Spitaleintritt, Mehrfachnennungen möglich (2577 Nennungen 974 Schulungen), im Durchschnitt werden 2,6 Symptome benannt.
SymptomeAnzahl Nennungen
Belastungsdyspnoe631 (65%)
Oedeme553 (57%)
Gewichtszunahme439 (45%)
Dyspnoe in Ruhe409 (41%)
Müdigkeit325 (33%)
nächtlicher Husten 96 (10%)
andere 89 (9%)
Nykturie 35 (3%)
Die Verknüpfung des Erlebens der Patientinnen und Patienten mit dem Fachwissen der Pflegefachpersonen aus dem Schulungsteam erscheint uns als vielversprechender Einstieg in das Gespräch. Viele Betroffene, auch solche mit bereits lange bestehender Herzinsuffizienz, sind sich der Erkrankung häufig zu wenig bewusst und können vorhandene Symptome nicht mit der Erkrankung in Verbindung setzen. Wenige negieren die Diagnose teilweise sogar.
Seit 3 Jahren bitten wir die Patientinnen und Patienten um eine schriftliche Rückmeldung. Dabei zeigt sich eine sehr hohe Zufriedenheit. So geben immerhin 61,7% (trifft vollständig zu) der Betroffenen an «neue Sachen» erfahren zu haben, 83,2% waren zuversichtlich, dass die erfolgte Schulung beim Umgang mit der Erkrankung helfen wird, und 88,3% würden die Schulung einer Kollegin/einem Kollegen weiterempfehlen. Die Betroffenen deklarieren, dass sie die entspannte Atmosphäre und die hohe Fachkompetenz des Schulungsteams schätzen. Im Freitext kommt häufig zum Ausdruck, dass die Individualisierung im Rahmen der 1:1 Schulung sowie die ausreichende Zeit, die für das Gespräch zur Verfügung gestellt wird, geschätzt wird. Über die vergangenen Jahre konnte die Anzahl der Schulungen kontinuierlich ausgebaut werden.

Diskussion

Rückblickend glauben wir, eine gute Form der Schulung für stationäre Patienten mit Herzinsuffizienz gefunden zu haben. Mittels unseres gewählten Vorgehens können wir die Lebenswelt der Patienten mit den beschriebenen Symptomen verbinden. So versuchen wir, ein besseres Verständnis für die Erkrankung, die Therapie und das eigene Verhalten zu erzielen.

«So what?» – Analyse unserer Erfahrungen

Das Schulungsteam war von Beginn an sehr motiviert und engagiert. Durch die internen Weiterbildungen und die regelmässigen Besprechungen untereinander hat sich eine Kultur des voneinander Lernens eingestellt. Die Veränderungsschritte wurden gemeinsam initiiert, kritisch diskutiert und im Verlauf auch gemeinsam in der Umsetzung getragen. Die Philosophie der personenzentrierten Versorgung [12, 13] hat in unserer Gruppe wesentlich zum angenehmen Arbeits­klima beigetragen, in welchem gegenseitige Wertschätzung gross geschrieben wird. Auch dies hat zur Verbesserung des Angebots beigetragen.
Ziel unserer Schulungen ist es, das Verständnis der ­Patientinnen und Patienten für ihre Krankheit und für die Therapie aufzubauen. Die Betroffenen sollen mit der Tatsache vertraut gemacht werden, dass sie mit ­einer chronischen Erkrankung leben müssen. Personen, die erstmalig mit der Diagnose Herzinsuffizienz konfrontiert werden, reagieren teilweise stark irritiert und verunsichert. Informationen aus den Visiten konnten sich noch nicht setzen. In den Schulungen werden P­läne entwickelt, wie die Therapieziele erreicht werden können. Daher geht es neben dem Vermitteln von Wissen oft auch darum, Strategien zum Umgang mit der Krankheit zu entwickeln, also individualisiert Self-Care zu ermöglichen [14].
Im Folgenden sprechen wir konsistent von Self-Care, in der Literatur werden diesbezüglich auch wechselnd die Begriffe «self-management», «self-monitoring», Adhärenz und Compliance verwendet, was verwirrend und inkonsistent wirkt. Self-Care wird als der natürliche Entscheidungsprozess verstanden, in dem eine Person mit einem bewusst gewählten Verhalten auf das Auftreten von Krankheitssymptomen reagiert. Das Ziel ist, durch das Ergreifen der richtigen Massnahmen, physiologische Stabilität zu erhalten.
Im konzeptuellen Modell von Self-Care bei Herzinsuffizienz ist das Erkennen von Krankheitssymptomen zentral. Self-Care ist besser, wenn die Betroffenen Wissen, Fertigkeiten und passende Wertvorstellungen ­haben. Ausserdem geht man davon aus, dass die ­Zu­versicht der Betroffenen eine Auswirkung auf den Zusammenhang zwischen Self-Care und Outcomes hat. Self-Care zu erlernen ist für die Betroffenen ein Prozess, in dem die kumulativen Erfahrungen von höchster Bedeutung sind [15].
Indem wir auf die Erfahrungen der Patientinnen und Patienten individuell eingehen, durch einen starken Fokus auf dem Alltagserleben, und indem wir die Schulung an ihren Bedürfnissen ausrichten, zielen wir z. B. mittels positiven Rückmeldungen darauf, die Zuversicht der Personen, ihre chronische Erkrankung erfolgreich zu managen, zu stärken (Selbstwirksamkeit).
Ebenso sind die Autorinnen und Autoren überzeugt, dass die Optimierung von Self-Care an die tägliche Routine und die lokale Umgebung angepasst werden muss.

«Now what?» – Zukünftige Entwicklungen

Bleibt die Frage der Nachhaltigkeit zu klären. Die Übergänge von stationär zu ambulant stellen auf dem Patientenpfad immer wieder Herausforderungen und potenzielle Stolpersteine für alle Involvierten dar. Wir sind der Überzeugung, dass mit dieser einmaligen Schulung (bei längeren Aufenthalten kann eine Zweitschulung angeboten werden) die Intervention und ­Unterstützung der Patienten nicht abgeschlossen ist. Deshalb entscheiden wir uns nach jeder Schulung, ­welcher weitere Unterstützungsbedarf besteht. Eine Möglichkeit besteht in wiederholenden Schulungen nach ­Spitalaustritt, für die wir Patientinnen und Patienten auf ihren Wunsch aufbieten. Oder wir entscheiden uns ­gemeinsam mit den Betroffenen für eine Anbindung an die ambulante Herzinsuffizienz Sprechstunde.
Seit drei Jahren bieten wir einen Teil dieser Sprechstunden in einem interprofessionellen Modus an. ­Gemeinsam betreuen der ärztliche Leiter und ein ­registrierter Pflegeexperte APN-CH1 Patienten mit komplexem Verlauf. Schulung, Entwicklung von Strategien und engmaschige Begleitung stehen bei ­diesen Patienten im Vordergrund. Die zuvor beschriebene Self-Care kann über die Zeit aufgebaut/erlernt werden. Leider sind auch hierbei die finanziellen Abgeltungen nicht befriedigend geklärt. Diese neuen integrierten Versorgungsmodelle sind noch nicht in den Abrechnungssystemen abgebildet.
Uns erscheint der gewählte und hier beschriebene Weg im Bereich der Versorgung von Personen mit Herz­insuffizienz als vielversprechend. Die Übergänge von stationär zu ambulant sind dank guter schriftlicher Dokumentation spitalintern fliessend. Die Zusammenarbeit zwischen den Stationsärztinnen und -ärzten, den Pflegeteams der Stationen, dem HI-Schulungsteam verbesserte sich zusehends. Die positiven Rückmeldungen von Patienten und Angehörigen bestärken uns.
Wir sehen aber auch weiteres Optimierungspotential: Der Informationsfluss zu den Hausärztinnen und ­-ärzten, den niedergelassenen Kardiologinnen und Kardiologen, sowie der Spitex sollte verbessert werden. Vielleicht wäre es zielführend, die Schulung und die Schulungsinhalte im Spitalaustrittsbericht an den Hausarzt zu erwähnen.
Möglicherweise könnte die Spitalverweilzeit weiter verkürzt werden, wenn frühzeitig aus dem Spital ­entlassene Patienten nach überstandener kardialen Dekompensation von einem Pflegeexperten APN am ersten Tag nach Spitalaustritt zu Hause besucht und im weiteren Verlauf klinisch betreut würden. Damit könnten Spitalkosten reduziert und das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Betreuungsteam gestärkt werden.
Seit Januar 2021 evaluieren wir unsere ambulante Sprechstunde für Herzinsuffizienz mittels demografischen Daten, «Patient Reported Outcomes», Fragen zum Krankheitsverlauf und zur Lebensqualität. Wir ­erhoffen uns von den gewonnenen Daten, dass wir ­unser Angebot möglichst effizient und patientenorientiert gestalten können und die Versorgungsqualität weiter verbessern können.
Das in diesem Artikel beschriebene Herzinsuffizienz-Betreuungskonzept ist aufgrund von individuellen ­Interessen und Ressourcen zustande gekommen. Der Aufbau einer nationalen Strategie zur Verbesserung der Versorgungsqualität sollte in Angriff genommen werden. Die aktuelle Professionalisierung der Pflege, unter der laufenden Akademisierung, sollte dringend genutzt werden, um solche nationalen Konzepte zu entwerfen und umzusetzen. Dabei wäre es hilfreich, die Pflege als Ressource zu nutzen, Zuständigkeiten zu klären und interprofessionell die Zukunft zu gestalten. Diese Zusammenarbeit und die idealerweise daraus ­resultierende integrierte Versorgung muss mittels ­systematischer Forschung und Evaluation begleitet werden.
Um Modelle der integrierten Versorgung flächendeckend in der Schweiz zu ermöglichen, müssen zudem entsprechende Abrechnungsoptionen geschaffen werden. Bund, Kantone und Krankenversicherer sollten diesbezüglich zusammen mit den Anbietern Anstrengungen unternehmen, um die Versorgung zu verbessern und dadurch insgesamt die Kosten dämpfen zu können.
Die Autoren haben/Der Autor hat keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Lukas Weibel
Universitätsspital Basel
Hebelstrasse 2 
CH-4031 Basel
lukas.weibel[at]usb.ch
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